Eine titellose, aber tadellose Saison

Der TSV Bad Königshofen scheitert im Play-off-Halbfinale um die Deutsche Meisterschaft und schließt die Saison als drittbester Tischtennis-Verein Deutschlands ab

Bad Königshofen Das siebte Jahr wird in manchen Zusammenhängen als das verflixte siebte bezeichnet oder gar erlebt. Der Bundesligist TSV Bad Königshofen hat in seiner siebten Saison in der TTBL (Tischtennis-Bundesliga) sport- und vereinsspezifisch Historisches geleistet, indem er die Runde als drittbeste Mannschaft Deutschlands hinter dem 1. FC Saarbrücken und Borussia Düsseldorf beendete. Im Play-off-Halbfinale startete er mit einem furiosen 3:1-Heimsieg gegen den 33-fachen Deutschen Meister und sechsmaligen Champions-League-Sieger Düsseldorf, musste sich dann aber nach dem Rückspiel und Entscheidungsspiel (je 0:3), beide auswärts, verabschieden. Trotzdem war es eine titellose, aber durch und durch tadellose Saison. Diese Redaktion zeichnet Stationen und Gründe dieses Erfolgs nach, aber auch Gefahren und Rückschläge, die gemeistert werden konnten.

Vor der Saison drohte großes Ungemach

Schlimmer geht nimmer, war die Erkenntnis in den Wochen vor dem Saisonauftakt. Zunächst war die Freude über die Verpflichtung des Japaners Jin Ueda (33) groß. Wie Bastian Steger hat er sich entschieden, sich nicht mehr dem weltweiten Turnierstress zu unterziehen, sondern sich voll und ganz auf den TSV zu konzentrieren. Er verkaufte in Japan Haus und Hof und zog mit seiner Frau und zwei Kindern nach Bad Königshofen um. Plötzlich wurde bekannt, dass er wegen eines Wechselfehlers für die gesamte Vorrunde, bis 31. Dezember, gesperrt ist. Es war zwar eine Lapalie, eine Unterschrift, die zwei Tage zu spät vom einzigen bayerischen Bundesligisten beim BTTV eingereicht wurde, weil zwei Entscheidungsträger operiert bzw. auf Reha waren und der dritte sich auf sie verließ. Wenig später zeichnete sich ab, dass der Lokalmatador Kilian Ort nach seiner bis dahin besten Saison sich einer Rücken-OP unterziehen musste, dann sogar einer zweiten, so dass er die ganze Saison kein einziges Spiel bestreiten konnte.

Das Fundament war die komplizierte Vorrunde

In ihr machte ein Trio aus der Not eine Tugend. Bastian Steger, Filip Zeljko und Martin Allegro war klar, dass keiner krank werden, sich verletzen oder sonst irgendwie ausfallen durfte. Es hätte sonst die in der TTBL bisher nie da gewesene Situation gedroht, kampflos Punkte abgeben zu müssen. „Selbst wenn wir hinten rein rutschen, ist es wichtig, dass wir nicht abreißen lassen und uns in der Rückrunde mit Ueda noch den Klassenerhalt sichern können“, lautete, so Manager Andy Albert, die Devise. „Sie haben sich zu einer verschworenen Kleingruppe entwickelt und mit unglaublicher Disziplin und Kampfgeist ein ausgeglichenes Punktekonto (10:10) zur Saisonhalbzeit erreicht“, lobt er den Oberpfälzer, den Kroaten und den Belgier. Von wegen abreißen: Sie gingen als Sechster mit nur zwei Punkten Rückstand auf den Play-off-Platz 4 in die Rückrunde – dann mit Ueda.

Rückschläge und Comeback-Qualitäten

Der Saisonauftakt mit der 0:3-Heimniederlage gegen Grenzau ließ Böses befürchten. Alberts Devise „Ruhe bewahren“ bestimmte die Überschrift unseres Vorberichts für das erste Auswärtsspiel in Mainz, das 3:0 gewonnen wurde. Was sehr wichtig war, weil danach zwei Heimniederlagen gegen die Titelanwärter Saarbrücken und Düsseldorf zu befürchten waren und auch (1:3 und 0:3) folgten. Mühlhausen und Saarbrücken waren die einzigen Gegner, denen man zwei Mal unterlag. Rückschläge hätten auch die Heimniederlagen gegen Grenzau und Fulda sein können. Das erste bemerkenswerte Comeback gelang postwendend mit den Siegen in Fulda (3:2) und gegen den Titel-Mitfavoriten Ochsenhausen (3:1). Es brachte jene nötige Ruhe wieder zurück, wuchs sogar zu einer kleiner Siegesserie. Ein 3:2 gegen Bergneustadt und ein 3:1 in Grünwettersbach folgten direkt im Anschluss.

Mit Ueda kam der Angriff auf die Play-off-Plätze

Dass Jin Ueda während seiner TTBL-Sperre nicht außer Form geriet, konnte dadurch verhindert werden, dass er an den österreichischen TTC Wiener Neustadt ausgeliehen wurde. Er war nur in der Champions League spielberechtigt und führte ihn dort ins Halbfinale. Am ersten Rückrunden-Spieltag deutete Jin beim Heimspiel gegen Werder Bremen an, dass er eine sehr gute Verpflichtung und wichtige Verstärkung sein würde. Mit 3:0 fegte er den Weltklassemann Gerassimenko von der Platte und stützte die Hoffnungen, dass man das Saisonziel Klassenerhalt auf Play-off-Platz neu definieren könne. In seinem Sog schlug Zeljko den Ex-Vizeweltmeister Falck, und Steger machte gegen Aguirre die Revanche für die Hinspiel-Pleite (0:3) komplett. Ueda blieb mit seiner Bilanz immer im positiven Bereich und war mit zwei Einzelsiegen gegen Timo Boll und Anton Källberg beim Play-off-Heimsieg gegen Düsseldorf Mann des Tages.

Starker Teamgeist und ein bisschen Glück in entscheidenden Momenten

Gewiss haben nahezu alle anderen Vereine mehr das Luxus-Problem, sehr gute, ja sogar Weltklassespieler nicht einsetzen zu können, weil sie über einen breiteren Kader verfügen. Beim TSV, in der Rückrunde zu viert, betraf das nur einen und mit Martin Allegro fast immer den selben. Der junge Belgier ist aber ein so feiner Mensch, fairer Sportler und Teamplayer, dass aus seiner Situation kein Problem entstand. Im Gegenteil: Als hervorragender Doppelspieler, von der Bilanz her der beste in der TTBL, blieb er ungeschlagen und trug mitentscheidend zur Doppelstärke und zu fünf 3:2-Siegen bei. Beim Abwägen der in der Verlängerung entschiedenen Sätze insgesamt sorgten eine unverkennbare Nervenstärke und auch ein bisschen Glück für eine positive TSV-Bilanz. Knackpunkte für den erfolgreichen Saisonverlauf waren jene fünf 3:2-Siege allemal.

Fans für eins, zwei Punkte pro Satz gut

Das Alleinstellungsmerkmal schlechthin für den TSV ist sein überragendes Publikum, daheim sowieso, aber auch auswärts. Fan-Busreisen gibt es bei nur einem TT-Club in der Liga, beim TSV. Bastian Steger schätzt die Hilfe durch das TSV-Publikum mit „eins bis zwei Punkten pro Satz“ ein. Filip Zeljko schwärmt: „Wenn man auf die Tribünen schaut und den Support mitbekommt, kann man gar nicht anders, als alles für die Fans zu geben.“ Selbst Timo Boll war nach der Play-off-Niederlage bei „Yes we KÖN“ angetan vom Publikum, lobte es überschäumend, „obwohl es für uns Stress erzeugt hat – in aller Fairness, wohlgemerkt.“ Kristian Karlsson, Doppel-Weltmeister, beschrieb es mal so: „Ich war bei Olympia, WM und EM in allen Hallen der Welt. So eine Begeisterung, sogar für den Gegner, gibt es sonst nirgends.“

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