Wie beim Bierdeckel: Vom Runden zum Eckigen

TTBL

Warum Filip Zeljko den Testpiloten spielt und den traditionellen runden TT-Schläger gegen einen sechseckigen tauschte

Bad Königshofen (rd) Der Kroate Filip Zeljko (26) spielt zurzeit seine siebte Saison für den Tischtennis-Bundesligisten TSV Bad Königshofen. In zwölf der 15 Spiele kam er zum Einsatz, fünf davon in der heimischen Shakehands-Arena. Er hat sich längst in die Herzen der Fans gespielt und weiß auch ganz genau, wie man dahin kommt. Allerdings haben nur die wenigsten der Tribünenbesucher bisher wahrgenommen, dass er diese Saison einen ganz anderen Schläger spielt alle anderen und als als in den sechs Jahren davor. Höchstens jene unten ganz nahe an der Box haben sein neues Spielgerät bewusst gesehen, das sich weder farblich noch von den Belägen her von den konventionellen und üblichen unterscheidet. Was aber für die Sportart im Moment noch etwas revolutionär rüberkommt, eines Tages vielleicht der Standard ist: Filips Schläger ist sechseckig.

Wobei ihm zuzutrauen wäre, dass er selbst ein paar Ecken mit der Laubsäge herausgesägt hätte. Form, Gewicht und Größe des Schlägers sind dem Regelwerk nach nämlich nicht limitiert oder vorgeschrieben. Es sind derzeit drei Spieler der TTBL (Tischtennis-Bundesliga), die die Weltneuheit mit dem Namen „Cybershape“ der schwedischen Herstellerfirma Stiga, nutzen. Der 20-jährige Schwede Truls Möregardh, inzwischen beim TTC Neu-Ulm unter Vertrag, spielt ihn seit etwas mehr als einem Jahr. Was ihm und gleichermaßen seinem etwas exotischen Schläger den Durchbruch verschafft hat, war sein Erfolg bei den letzten Weltmeisterschaften in den USA im Dezember 2021, wo er mit dem Produkt auf Anhieb Vize-Weltmeister im Einzel wurde. Inzwischen wird er an Nr. 5 der Weltrangliste geführt. Anfang Januar schlug er im historischen Pokalfinal-Match Timo Boll und führte Neu-Ulm zum ersten Titelgewinn. Mit dem WM- und dem Pokalerfolg war der Cybershape mit Kohlefasern im mehrfach Schicht-geleimten Holz auf einmal mehr als ein Marketing-Gag.

Mit dem Marketing-Gag zur Vize-WM

Natürlich lobt Möregardh sein neues Werkzeug: „Ich treffe damit den Ball besser.“ Filip Zeljko bestätigte in einem Gespräch mit dieser Redaktion: „Die Schlagfläche des Blatts ist durch die sechseckige Form insgesamt um fünf Prozent größer als beim traditionellen.“ Der sogenannte Sweetspot sei der Bereich, in dem die meisten Bälle getroffen werden und höchste Beschleunigung erhalten, stelle somit den idealen Treffpunkt dar. Ser sei vom Griff aus nach vorne verschoben und breiter, was bedeutet, „dass man mit ihm näher an die Platte heran kommt. So kann man leichter kürzere Bälle spielen und  bekommt mehr Rotation in die Schläge.“ Tatsächlich seien 6,5 Zentimeter der Schlagfläche näher am Tisch als bei der runden „Klinge“, wie „der Speed-King aus Zagreb“ seinen Schläger nennt.

Fakten, die neugierig machten. Auch Filip Zeljko, der, ebenso wie Alexandre Cassin (Fulda), von diesem Hightech-Spielgerät überzeugt ist. Doch bringt das neuartige Holz mit den sechs Ecken tatsächlich Vorteile, die sich über kurz oder lang durchsetzen und das Tischtennis revolutionieren? Auf die bisherigen Erfolge von Möregardh hin gewiss: Die 5:0 Siege in den nur drei TTBL-Einsätzen, in der Championsleague und bei der WM sprechen dafür. Auch Filip Zeljko (5:9) sieht sich verbessert, (Cassin 5:11) verschlechtert. Romain Ruiz (Bergneustadt) ist bei 7:6 wieder zum traditionellen Modell zurückgekehrt. Dmitrij Mazunov, Neu-Ulms Headcoach meint: „Für den Kopf bringt er die meisten Vorteile. Es ist wie so oft im Leben. Menschen suchen etwas Neues, wollen etwas verändern. Und wenn sie gut damit zurechtkommen, bleiben sie dabei. Truls würde auch so gut spielen, wenn er einen dreieckigen Schläger hätte.“

Gefühl, als ob ich schon lange damit spielte

Wie sieht das bei Filip Zeljko aus? „Zum ersten Mal habe ich den Cybershape bei Truls Möregardh gesehen. Erstmals ausprobiert habe ich ihn nach unserem ersten Saison-Spiel gegen Bremen Ende August“, in dem er den Ex-Vizeweltmeister Mattias Falck 3:0 geschlagen hatte. „Mein Plan war, mich langsam daran zu gewöhnen, bevor ich ihn im Wettkampf einsetze. Als ich ihn aber das erste Mal in der Hand hatte, da hatte ich das Gefühl, dass ich schon lange damit spiele. Es gab also keine Testzeit, ich habe ihn sofort im zweiten Spiel in Ochsenhausen eingesetzt“ – und 2:3 gegen Kanak Jha verloren. „Dennoch habe ich von da an immer damit gespielt.“

Ob er den Sechseck-Cybershape auch Hobbyspielern in unteren Amateurklassen empfehlen könne: „Definitiv, allerdings mit einer reinen Holz-Klinge, die kein Carbon enthält, also mehr Gefühl und Ballkontrolle, weniger Geschwindigkeit hat. Ich kann mir vorstellen, dass damit selbst Kinder und Jugendliche gut zurechtkommen. Es gibt auch eine Benutzer-definierte Gewichtstechnologie, die den Schwerpunkt der Klinge verändern kann.“ Filip Zeljko ist seiner Meinung nach noch nicht am Ende der Suche nach Optimierung seines Schlägers. Die Probe aufs Exempel wäre, wenn er am 21. Februar beim Heimspiel gegen Neu-Ulm erneut auf Truls Möregardh träfe, dem er im Hinspiel 1:3 unterlegen war. Aber der ist ja auch Vizeweltmeister.