Zwei Tischtennis-Verrückte kommentieren den Stream

TTBL

Jens Jung und Gioele Vulcano erfüllen den Auftrag, die TTBL-Heimspiele des TSV Bad Königshofen authentisch und emotional rüberzubringen

Bad Königshofen (rd) In dieser Tischtennis-Bundesliga-Saison begleiten die beiden Live-Kommentatoren Jens Jung aus Hambach bei Schweinfurt und Gioele Vulcano aus Bietigheim-Bissingen die Livestream-Bilder des Internet-Senders spontent.tv in die Welt hinaus. Ihr Platz während des Spiels in der Shakehands-Arena ist in der Technik-Lounge, von der Haupttribüne aus gesehen links hinten. Zu erkennen sind sie an ihren Kopfhörern, zu hören sind sie in der Halle nie, müssen den Rhythmus von Hell-auf-Begeisterung bis zu Mucksmäuschen-Stille mitgehen.

Wenn sie aber mal so richtig aus sich raus gehen dürfen, zum Bespiel nach einem sensationellen Ballwechsel, einer so genannten Rallye oder dem Matchball für den gastgebenden TSV, dann können sie schon mal emotional explodieren. „Sollen wir sogar“, bestätigt Jens Jung, „wir sollen voll authentisch sein“, wurde mit dem Sender abgesprochen. „Es soll erkennbar sein, dass wir in fairer Weise parteiisch sind, uns für Kilian Ort & Co. freuen, mit ihnen leiden. Im Rückspiel tun es die dortigen Kollegen ja ebenso.“

Profis sind Jens und Gioele natürlich nicht, weder von ihrer Tätigkeit, einem Nebenjob, noch von der Vergütung her. Laut Lizenz-Bestandteil der TTBL und Abkommen mit dem Sender ist der Gastgeber-Verein verpflichtet, ein Kommentatoren-Gespann zur Verfügung zu stellen. In den vergangenen Jahren waren es zwei Studenten der Agentur „Zwei Komma“. Für diese Runde engagierte der TSV-Manager Andy Albert dieses Duo „Tischtennis-Verrückter und -Experten“, die in ein paar Lehrgangs-ähnlichen Unterweisungen von spontent.tv, präsent und online, für ihre Aufgabe präpariert wurden.

Beide sind positiv Tischtennis-verrückt, machen den Job für Kilometergeld und ein Taschengeld im oberen zweistelligen Bereich. Vulcano als Trainer, Jung als Vereinsspieler und als Gast in der Trainingsgruppe des TSV. Jens ist im Hauptberuf Logistikplaner in einem großen Bad Neustädter Unternehmen und Feuer und Flamme von seinem Nebenjob: „Zumal ich hin und wieder mal einen Satz mit Kilian Ort, Bastian Steger, Filip Zeljko oder Martin Allegro spielen und nach dem Spiel Interviews mit Größen wie Timo Boll führen darf.“ Überhaupt sei er „fasziniert davon, wie familiär es in diesem Club, immerhin in der zweitstärksten Liga der Welt, zugeht und man miteinander umgeht.“

Wie er dazu gekommen sei: „Ich hatte mit Waigolshausen und Kitzingen öfter mal mit Bad Königshöfer Mannschaften zu tun. Vor einem Jahr sprach mich Andy Albert an, der wusste, dass ich selber spiele und so eine Labertasche bin, die dafür geeignet wäre.“ Dann war man sich schnell einig. Mit Gioele Vulcano wurde der kongeniale Partner durch Vermittlung von Lukas Schwarz, Königshöfer im Dienst der TTBL, zu Jens gefunden. Sie kannten sich vorher nicht, „es passt aber.“ Ursprünglich sei vorgesehen gewesen, dass Jens eine Art Führungsrolle spielt, Gioele den Co-Kommentator. „Wir haben aber gemerkt, dass es besser  rüber kommt, wenn wir uns als Gleichberechtigte gegenseitig den Ball zuspielen.“

Der inhaltlichen und sprachlichen Bewegungsfreiheit der beiden Kommentatoren während ihres Einsatzes sind kaum Grenzen gesetzt. Erklärbar dadurch, dass „die Zielgruppe in erster Linie junge Leute sind, die Spaß  an der Sportart bekommen sollen.“ Die Sprache orientiert sich somit an jener der jungen Generation. Dabei dürfe man durchaus mal unseriös daneben greifen mit dem Unwort „Scheiß-Ball“ bei einem unglücklichen Kantenball oder „saustark“, wenn es der Zusammenhang erlaubt. „Es muss halt alles im Rahmen, fair und sportlich bleiben, nicht zu einseitig sein und nicht beleidigend.“

Mit der Jugend als Zielgruppe orientiert sich spontent.tv natürlich an der Realität vorbei. Das Durchschnittsalter des Publikums in der Arena liegt, zurzeit jedenfalls, weit in der zweiten Lebenshälfte. In den anderen Hallen ist es vergleichbar. Bei den Streaming-Nutzern, es liegen keine Untersuchungen vor, dürfte es sich ähnlich verhalten. Zur Aufgabenverteilung: Vom Hintergrundwissen her liest sich Jens etwas intensiver ein, nutzt alle möglichen modernen Kommunikationsmittel, um sich Informationen über alle beteiligten Spieler zu besorgen. Zudem werden die Beiden vom Hallensprecher Jürgen Halbig ganz speziell mit Infos bedient, mittels derer sie die Zusehenden im Stream detailliert versorgen und unterhalten können. Etwa eine Stunde vor Spielbeginn beginnen sie mit den Vorbereitungen in der Halle. „Es geht aber auch darum, das Lampenfieber etwas abzubauen, was am Saison-Anfang sehr hoch war, inzwischen etwas nachgelassen hat.“ Andy Albert kümmert sich darum, ihnen nach dem Spiel einen Interviewpartner zu besorgen.

Jens baut dann vorwiegend Hintergrundwissen ein, Gioele geht spontaner auf das Spielgeschehen ein. Spontan, authentisch und emotional dürfen und sollen sie rüberkommen. Nach der Hinrunde gab es zwecks Evaluation ein Feedback vom Sender, „wie wir uns geschlagen haben, wo noch Verbesserungspotenzial besteht.“ Es heiße, „ihr dürft neutral sein, sollt auf einer sachlichen Ebene aber Königshöfer sein, also durchaus parteiisch. Für Ausgleich wird eben im Rückspiel gesorgt.“