Bastian Steger glänzt an alter Wirkungsstätte

TTBL

Von negativer Historie unbeeindruckt bringt Bad Königshofen zwei Punkte von der Weser an die Saale mit

Bremen (rd) Wieder einmal zwei Rückstände, 0:1 und 1:2. Drei Mal die Schlinge um den Hals und die Niederlage vor Augen: im vierten Satz des vierten Einzels von Basti Steger, bei 1:2 und drei Gesamtmatchbällen für den SV Werder. Dann 17:15 für Steger. „Den man nie abschreiben soll“, wie Kenner der TT-Szene wissen. Der in manchem TT-Forum trotzdem respektlos Tischtennis-Rentner genannt wird. Denen er wieder einmal die passende Antwort gab. Steger riss das Ruder herum. Am Ende ein, aus diesem Grund, glücklicher 3:2-Sieg des TSV Bad Königshofen. Kilian Ort und Martin Allegro rangen taktisch und mental im Entscheidungsdoppel den amtierenden Doppel-Welt- und Europameister Mattias Falck aus Schweden und den Rumänen Cristian Pletea nieder. Womit die in gleicher Weise unglückliche Hinspiel-Niederlage abgehakt war.

Dabei schien Bremens Trainer Cristian Tamas beim Aufstellungspoker die ursprünglichen Positionen am besten gemischt zu haben. Er verschob den Ex-Einzel-Vizeweltmeister Falck von 1 auf 3, weil der im Hinspiel Filip Zeljko 0:3 unterlegen war, und stellte Kirill Gerassimenko an 1. Der bekam nun Zeljko als Gegner und Kilian Ort musste gegen Falck ran. Das sollte zwei Punkte bringen, brachte sie auch. Itagaki setzte Steger an 1 und Ort an 3, womit Steger nicht ins Doppel durfte. Dann bestätigte Zeljko im ersten Einzel gegen Gerassimenko die Absichten der Werderaner und ging ziemlich sang- und klanglos unter. Am Ende wurde es richtig peinlich – oder doch eher sportlich – als bei 0:10 Geschenke ausgetauscht wurden: Zeljkos Gegner verschlägt absichtlich eine Angabe weit über den Tisch hinaus. Und Filip bedankt sich mit einer Angabe ins Netz – 1:11 und 1:0 für Bremen.

Was Bastian Steger, höchst motiviert und konzentriert, nicht hinderte, gegen Marcelo Aguirre mal gleich den Unterschied zu machen. Er bewegte sich gut, spielte taktisch und mental am Limit, routiniert und abgezockt, phasenweise Formel 1, strafte alle Lügen, die mit seinen 41 Lebensjahren kokettieren, gewann deutlich 11:2/11:8/11:8 – Ausgleich 1:1. Sein Sahnehäubchen sollte erst noch kommen.

Denn im dritten Einzel „spielte ich heute gefühlt nicht ganz schlecht“, befand Kilian Ort hinterher im Interview. Dem Vizeweltmeister von 2019 Mattias Falck, der Bad Königshofen schon mehrfach fast im Alleingang besiegt hatte, lieferte er einen heroischen Kampf. Die gleiche Quote der beiden, Falck 18:6, Ort 9:3, wurde durch das Auf-Augenhöhe-Duell bestätigt. Trotz satzübergreifender 1:13 Punkte, von 6:5 im ersten (7:10) bis 1:6 im zweiten, kämpfte sich Ort ins Spiel zurück, gewann diesen zweiten Durchgang 12:10 und war bei 9:11 im vierten ganz nahe an einem fünften. Dennoch 2:1 für Bremen.

Wenn Bastian Steger nicht schon so viel geleistet hätte in seinen 23 Profijahren, hätte dieser Kampf im Einser-Duell gegen den Kasachen Gerassimenko das Prädikat „Spiel seines Lebens“ verdient. Den ersten Satz 7:11 verloren. Im zweiten 10:7 geführt und 12:14 verloren. Dann muss es beim Gegner Klick gemacht haben, von wegen „Steger nie abschreiben.“  Dritter Satz 11:7 Steger. Vierter Satz vier Gesamtmatchbälle abgewehrt und den eigenen dritten Satzball zum 17:15 verwandelt. Da erstarrte die Werder-Halle. Nur Ella und Andreas Köber, die TSV-Edelfans aus Köln, bei jedem Spiel in den letzten elf Jahren dabei, diesmal die einzigen, witterten Morgenluft.

Bezeichnend für die Gemütslage von Gerassimenko (26), der bei 1:4-Rückstand im fünften Satz und Timeout Bremen am Boden lag und nach Luft pumpte. Riesen-Respekt vor dem Sieger, so hörten sich nach dem 11:5 für Steger wenig später die Ansage des Hallensprechers und der  Beifall der 282 Zuschauenden an.

Jetzt galt es also für Kilian Ort und den eingewechselten Martin Allegro, im entscheidenden Schlussdoppel gegen den Doppel-Welt- und Europameister Falck und Pletea diese Steilvorlage von „Basti“ aufzunehmen. Was ihnen mit Bravour, hervorragender Harmonie in ihrem dritten gemeinsamen Einsatz, und großartigem Kampfgeist gelang. Während es die beiden Bremer das erste Mal  gemeinsam probierten. „Unsere Historie in Bremen in den letzten Jahren war ja nicht so toll“, gab Kilian Ort zu bedenken. Und zur Aufstellung: „Bremen hatte erwartet, dass ich an 1 spiele. Ich weiß nicht ganz genau, was die Idee von unserem Trainer war.  Wahrscheinlich war ich nicht an 1, weil er wollte, dass ich im Doppel spiele. Ich habe mich auf beide, auf Mattias und Kirill, vorbereitet.“ Nach drei Stunden und 18 Minuten, nach 11:8/6:11/11:2/11:8 waren das Doppel deutlich und verdient sowie das ganze Spiel (186:189 Bälle) glücklich gewonnen.

Ergebnisse:
SV Werder Bremen – TSV Bad Königshofen 2:3
Kirill Gerassimenko – Filip Zeljko            3:1 (11:4/11:13/11:7/11:1)
Marcelo Aguirre – Bastian Steger             0:3 (2:11/8:11/8:11)
Mattias Falck – Kilian Ort                          3:1 (11:6/10:12/11:7/11:9)
Kirill Gerassimenko – Bastian Steger      2:3 (11:7/14:12/7:11/15:17/5:11)
Falck/Pletea – Ort/Allegro                         1:3 (8:11/11:6/2:11/8:11)
Zuschauer: 282