Der Eiserne ist wieder da. Gell es is wieder Tennis?

TTBL

Bad Königshofen (rd) Was haben Fans unterschiedlicher Sportarten gemein? Sie haben ihren Narren gefressen an der Sportart an sich und sind der Mannschaft und den  Sportlern eines Vereins, Verbands oder Nation besonders zugeneigt. Dass sie selber diesen Sport betreiben oder betrieben haben, bedingt sich nicht zwangsläufig. Beim Blick ins Publikum bei den Heimspielen des Tischtennis-Bundesligisten TSV Bad Königshofen fällt auf, dass die überwiegende Mehrheit vom Altersquerschnitt her der zweiten Lebenshälfte angehört. Die meisten haben nie selber Tischtennis gespielt, sind aber seit dem ersten Besuch in der Shakehands-Arena vom TT-Virus infiziert. Hier ist man Teil des Publikums, das deutschlandweit als bestes, weil leidenschaftlichstes und zugleich fairstes bekannt ist.

Neben einem richtigen Fanclub, den TSV-Ping-Pong-Ultras, gibt es auch eine informelle Kleingruppe von Tischtennis-Enthusiasten, die in jeder Tischtennishalle Deutschlands auftauchen, wo die Ort, Steger und Co. antreten. Das Spezielle an dieser NRW-Oldie-Band, an Andreas und Ella Köber und Beatrice Piechotta, alle aus Köln, sowie Albrecht Lediger aus Rheinberg: Sie haben Königshöfer Wurzeln und kommen immer wieder vom Rhein an die Fränkische Saale, wenn Tischtennis-Bundesliga angesagt ist.

„Ali“ Lediger, 57, von Berufs wegen Rechtsanwalt, stammt aus Limbach am Main und besuchte von 1974 bis 1983 das Königshöfer Gymnasium. Er war Schüler des von Direktor Alkuin Mahr geleiteten katholischen Schülerheims Kilianeum, das von der Diözese später zum Mehrgenerationen-Haus umgewidmet und im vergangenen Jahr veräußert wurde. „Ich habe damals Andy Albert kennen gelernt“, erinnert sich Lediger, „war mehr beim Fußball, habe aber und auch ein bisschen Tischtennis gespielt“, berichtet er in einem Telefonat. „Ich habe die Mannschaft vor sechs oder sieben Jahren mal in Dortmund gesehen, als Richard Vyborny und Marek Klasek noch dabei waren. Und ich war begeistert vom Niveau, der Stimmung und der Begeisterung, bei einer überragenden Fairness und Respekt des Publikums auch dem Gegner gegenüber.“ Jülich, Grenzau, Bergneustadt, Düsseldorf, Bremen, Saarbrücken, Düsseldorf, Fulda fallen ihm spontan als Städte ein, in denen er schon die TSV´ler unterstützte. Zusammen mit den Köbers und Piechottas, die er damals in Dortmund kennen lernte. „Ein paar Mal im Jahr richte ich es ein, dass ich auch in der Shakehands-Arena dabei bin und es mit einem Heimatbesuch verbinde.“

Bei allen Spielen, ob in Bad Königshofen oder auswärts, in der 2. und 1. Bundesliga, sind die Köbers aus Köln dabei: Andreas (69) und seine Frau Ella (61). Sie von Beruf Förderschullehrerin, er Rentner nach einem abwechslungsreichen Berufsleben von L wie Lehrer bis L wie LKW-Auslieferer und -Fahrer bis Indien und  Pakistan. Ihr Schlüsselerlebnis war vor rund sieben Jahren. „Da waren wir wieder mal in KÖN und es sprach mich Kilians Vater Josef Ort als `ehemaliger Nachbar´ an, ob ich nicht auch mal beim Tischtennis vorbeischauen wolle.“ Andreas Köber und seine Schwester Beatrice Piechotta, eine Diplom-Psychologin, die ebenfalls zur NRW-Band gehört, sind Nachkommen des ehemaligen Königshöfer Internisten Dr. Alfred Piechotta und wohnten in der Nachbarschaft der Familie Ort. Dort logieren sie jeweils in ihrem Elternhaus, wenn sie zu Spielen von Köln nach Bad Königshofen kommen.

Und so erlebten dieses Trio, zufällig zusammen mit „Ali“ Lediger, jenes Spiel in Dortmund, wo auch sie Feuer fingen für Tischtennis. Am innigsten sind die Köbers mit der Mannschaft verbunden, gibt es doch außer dem Trainer Koji Itagaki niemanden, der wie sie bei jedem Heim- und Auswärtsspiel anwesend ist und die Mannschaft anfeuert. „Es sei denn, es war wegen gerade geltender Corona-Regeln nicht möglich.“ Von Ledigers Missgeschick bei jenem Spiel in Dortmund profitierten auch die Köbers. Andy erinnert sich an ein Missgeschick von Ali: „Er klatschte bei einem Bauern, einem Netzroller für Kilian, Beifall, weil er es nicht wusste, dass man das nicht tut, und wurde dafür ausgepfiffen.“

Nennenswert sportlich aktiv waren sie nicht gerade in ihrer Jugend, die Piechottas und Köbers, „eher den Musen geneigt.“ Beim TSV-Fußball war er nur als Zuschauer. „Ich kann mich noch sehr gut an Knies, Knahn, Kneuer, die drei Fußball-Ungeheuer, erinnern.“

Heute sagt der Saisonkarten-Besitzer: „Ich weiß gar nicht, wie ich ohne Tischtennis so lange leben konnte.“ Er habe dabei viele Menschen kennen gelernt und Freundschaften geschlossen, zum Beispiel mit den Thüringern Egon Schüler und Günter Wachmer. „Wir freuen uns wie die Könige, am Sonntag gegen Bergneustadt wieder dabei sein zu können. Livestream ist ja lieb und recht. Aber man ist da so machtlos, kann nicht helfen.“ Wenn er dann schon am Vortag mit der TSV-Mütze und dem TSV-Schal durch seine Heimatstadt bummelt wie eine wandelnde Litfaßsäule, „werde ich oft von Leuten, die ich gar nicht kenne, angesprochen mit ‚der Eiserne‘ ist wieder da. Gell es is wieder Tennis?“