Mizuki Oikawa arbeitet am Traum von Olympia in seiner Heimat

TTBL

Im März verließ der Publikumsliebling Bad Königshofen und blieb Corona-bedingt in Japan – Warum er die Freigabe aus dem Vertrag erhielt und warum er gern wieder kommen würde

Bad Königshofen (rd) „I can do it“ –  „Ich kann es schaffen.“ Dieses Lebensmotto gab der soeben 17 gewordene Tischtennis-Nobody Mizuki Oikawa an, als er über eine professionell betriebene Trainingsgruppe in Nürtingen zum Zweitligisten TSV Bad Königshofen vermittelt wurde. Für das Internet-Portal „myTischtennis“ des DTTB (Deutscher Tischtennisbund) musste ein Profil von ihm erstellt werden. Die darauf folgenden fünf Jahre beim TSV Bad Königshofen nutzte das 1,61 m kleine Energiebündel dazu, seinem Motto Taten folgen zu lassen. Sehr erfolgreich spielte er immer, die zwei Jahre in der zweiten Bundesliga, wo er mit dem TSV zwei Mal Meister wurde. Und drei Spielzeiten in der TTBL, der Tischtennis-Bundesliga, der zweitstärksten Liga der Welt, was nach einem spezifischen Schlüssel mit so genannten QR-Punkten der dort lizenzierten Spieler berechnet wird.

„Er gab fünf Jahre lang sein Bestes für uns“, begründete der TSV-Manager Andy Albert dann im März dieses Corona-Jahres 2020 die „familiäre Entscheidung“, Mizuki Oikawa aus seinem erst drei Monate vorher um eine weitere Saison verlängerten Vertrag freizugeben. Was hatte dieser Junge aus dem Mutterland des Tischtennis doch für einen Eindruck in Tischtennis-Deutschland hinterlassen: In Bad Königshofen, beim wahrscheinlich besten und leidenschaftlichsten Tischtennis-Publikum als Everybody`s Darling. Und in der Liga fünf Jahre lang mit einer hoch positiven Gewinn-Bilanz. Weshalb auch die finanzstarken Vereine, u.a. der Serien-Meister Borussia Düsseldorf,  hinter ihm her waren.

Mizukis Herz hing aber an Bad Königshofen, an seinem Ziehvater Christian Fischer, an der familiären Atmosphäre im Klub. Die wie geschaffen war für den gut erzogenen Jungen aus Fernost, der auszog, die Tischtennis-Welt zu erobern. Der anfangs Skrupel hatte, nach seinen Siegen wenigstens die Faust zu ballen oder gar ins Publikum zu jubeln. Höchstens mal eine höfliche Verneigung. Bis ihn Andy Albert aufklärte, dass man in Europa und erst recht in der Shakehands-Arena Gefühle zeigen darf, ja soll. Bis ihm die Fans huldigten mit dem im gemischten Chor gesungenen „Mitsou, Mitsou, Mitsou, mein ganzes Glück bist du“, von Jacqueline Boyer. Gekämpft hat Mizuki immer bis zum Anschlag, gewonnen hat er meistens. Nur manchmal, wenn ihm der Jetlag in den Gliedern steckte, wenn er wieder einmal mit 11000 Flugkilometern und der Zeitumstellung als Rucksack seinen Gegner zu bekämpfen hatte.

Im Normalfall hat und konnte er die Besten der Besten schlagen, zum Beispiel Timo Boll, Simon Gauzy, Patrick Franziska. Vor der Saison 2019/20 wollte ihn Borussia Düsseldorf unbedingt haben. Titelgewinne und die Championsleague lockten. Da zog Bad Königshofen den Joker, verpflichtete Bastian Steger. Jetzt hatte man beide: Der eine kam, der andere blieb – auch deswegen. Lange durfte man an die Play-Offs, die besten 4, ran schnuppern. Als die Saison Corona-bedingt abgebrochen wurde, packte Mizuki sein Bündel, wurde, wie immer, von einem der TSV-Chauffeure nach Schweinfurt zum Zug gefahren und verschwand – „Tschüß, bis nächste Mal.“

Ende März kam der Anruf aus Tokio. Die Pandemie hatte voll zugeschlagen. Seine Eltern wollten ihren Sohn vor den Abertausenden Flugkilometern in dieser gefährlichen Zeit bewahren. Und Andy Albert wurde weich, nach Rücksprache mit TSV-Trainer Koji Itagaki und Sponsor Akihiko Kotani. Oikawa hatte ein Angebot bekommen, zehn  Spiele in der japanischen Profiliga für den Meisterclub des deutsch-chinesischen Trainers Jianxin Qiu im Team der Kinoshita-Group Tokyo zu absolvieren. Qiu ist der Vater von Kilian Orts Jugendfreund Dang Qiu und war vorher Leiter des TT-Zentrums in Nürtingen, Oikawas erster Staion in Deutschland.

In Alberts Brust schlugen zwei Herzen: Das für den TSV und das für den Jungen, der für ihn wie ein eigener Sohn war. „Es ist eine große Ehre für ihn beim Meisterclub zu spielen. Dafür habe ich Verständnis. Sportlich ist sein Weggang freilich kaum zu kompensieren. Sein Vertrag war zuletzt gut dotiert. Wir werden ohne ihn schwächer, aber auch billiger. Es wird ein Survival-Jahr, das wir überleben müssen.“ Mizuki bedankte sich in Facebook mit einer Videobotschaft bei seinen Fans in Bad Königshofen: „Schönes Gruß, euer Mizuki.“

Wie er versichert, „habe ich alle sieben Spiele meiner Mannschaft im Livestream verfolgt, auch wenn es manchmal bis nach Mitternacht ging.“ Die japanische Saison hat erst im November begonnen. Die Hälfte der zehn Spiele hat er absolviert – Bilanz 3:2. Die Liga besteht aus vier Vereinen mit je zwei Mannschaften und spielt nach einem international völlig ungewohnten Modus. Eine Mannschaft besteht nur aus Doppeln. Diese sind nicht spielberechtigt in der anderen, der Einzel-Mannschaft, die vier Mal gegen die drei Gegner antritt: Wenn es 2:2 steht, entscheidet eine Art Sudden Death.

Mizuki ist mit seiner derzeitigen Situation zufrieden: „Ich habe gute Gegner und ein gutes Training bei Qiu. Ich hatte ja damals im März keine andere Wahl, so dass ich nicht sagen kann, es war richtig oder falsch. Aber eines Tages möchte ich wieder in Deutschland spielen, am liebsten natürlich in Bad Königshofen. Vielleicht wird das möglich, wenn die doppelte Spielberechtigung eingeführt wird. Es ist schön, in Deutschland zu leben. Die Stadt, Christian Fischer und seine guten Schäufele, meine (!) Mannschaft, die Menschen dort fehlen mir sehr.“ Was nicht sein Ziel war: Momentan spielt er nur gegen Japaner. Mizuki Oikawa gehört zu den Top 10 seines Landes. In dieser Liga steht er voll im Fokus, kann seinem Traum von Olympia 2021 in Tokio näher kommen und wieder sagen: „I can do it.“