Weiter im Spitzen-Quartett

TTBL

Mizuki Oikawa siegt trotz Jetlag und Kilian Ort‘ s Kopfschmerzen nach dem Krimi gegen Wang Xi

Bad Königshofen (rd) Zwei Stunden Tischtennis auf gehobenem Niveau. Drei Einzel, von denen jedes seinen eigenen, besonderen Reiz hatte. Jede Menge Ballwechsel, besonders jene Rallyes, bei denen sich die Spieler in der Box kreuz und quer herum jagten und sämtliche physischen Gesetze außer Kraft zu setzen schienen, wenn sie den 2,7 Gramm leichten Ball aus dem hintersten Winkel auf die 2,09 Quadratmeter große Tischhälfte zurück brachten. Hinterher ein 3:0-Sieger, dem diesmal in mehreren Situationen und Spielständen das Glück hold war. Und der TSV Bad Königshofen weiterhin im Tabellenführer-Quartett der Tischtennis-Bundesliga. Diesmal, wohl wegen des herrlichen Spätsommerwetters, vor „nur“ 438 Zuschauer, die mehrfach aus dem Häuschen waren, drinnen in der Shakehands-Arena, und hoch zufrieden nach Hause gingen. Und wieder kommen? „Mal seh´n, meins ist halt Skispringen.“ Die Dame muss man verstehen. Nicht jeder kann Tischtennis-Fan sein, aber immer mehr in der Tischtennis-Stadt.

Dass Neuzugang Bastian Steger den „Pflicht-Sieg“ gegen Dang Qiu sicher nach Hause schaukeln würde, war absolut so sicher auch wieder nicht. Bei ihrer letzten Begegnung im Januar hatte er Kilian Orts Freund Qiu erst mit 12:10 im fünften Satz bezwungen. Diesmal startete er mit 11:4 im ersten Satz, um den zweiten mit demselben Ergebnis abzugeben. Es war der erste Satzverlust des Frisch-Verheirateten im TSV-Trikot in eigener Halle. Im dritten ging er erstmals zum 8:7 in Führung, 11:9. Da war der Fanclub „Ping-Pong-Ultras“ aber schon längst auf Betriebstemperatur. Wie Steger selber, der mit 11:4, also doch sehr sicher, dicht machte zur 1:0-Führung.

Dann hatte Kilian Ort die nicht gerade beneidenswerte Ehre, als Nr.2 gegen den Gäste-Einser Wang Xi antreten zu müssen, der noch nie gegen einen Königshöfer verloren hatte. Es wurde zur Herkules-Arbeit. Manchmal, schien es, zur Sisyphus-Arbeit. Weil jedes Mal, wenn er den Schlüssel zum Knacken von Xi´s unglaublichen Schnittvarianten gefunden zu haben schien, stellte der auf eine neue um. Und die Sondierungen begannen von vorne, mit welcher Dosis von Topspin-Rotation diesem kombinierten Abwehr-Angriff-Spieler „mit seinen mir ungewohnten Noppen“ (Ort) zu begegnen sei. „Keinen Rhythmus“ habe er im ersten Satz in sein Spiel gebracht – 7:11. Im zweiten schien er jenen Schlüssel gefunden zu haben: 11:6, das Produkt einer unglaublich reifen taktischen Leistung. Aber was würde Xi für den dritten im Köcher haben?

Wieder die alte Leier, siehe oben, zuerst. Die Wippe, an der sich der Satzgewinn entschied, stand bei 8:8 – 8:11.“Auf geht’s Kilian, auf geht’s“ skandierten die Zuschauer. Und Hallensprecher Jürgen Halbig gab Einblick in seine Gefühlswelt: „Irgendwie habe ich das Gefühl, dass Xi heute reif ist.“ Ein Garant war sein Gefühl indes selten bisher. Doch Kilian Ort widerstand allen taktischen und psychischen Tricks des Deutsch-Chinesen, der vor eigenem Aufschlag so lange den Blickkontakt mit Ort suchte, ehe er aufschlug, bis dieser ihm den Gefallen tat und in leicht grinsende Augen schaute. Und dennoch den vierten Satz mit 11:8 gewann, im fünften aber 4:8 hinten lag, sechs Punkte in Folge machte, dass die Halle tobte, klatschte und trampelte. Dann benötigte er einschließlich dieser zwei insgesamt sechs Matchbälle, ehe er zum 14:12 abdichtete – 2:0 zur Pause und ein verdammt gutes Gefühl auf einmal.

Wäre da nicht dieser Jetlag des Mizuki Oikawa, der am Samstag früh um sechs nach 14 Stunden Flug um die halbe Erdkugel plus vier Stunden Aufenthalt in Shanghai in Frankfurt gelandet war. In solchen Fällen verdarb er sich in der Vergangenheit nicht nur ein Mal seine positive Bilanz und konnte seiner Mannschaft nicht helfen wie gewohnt. Daheim in Japan hatte er mit seiner Uni-Mannschaft den hoch angesehenen Titel des japanischen Studenten-Meisters gewonnen. Und jetzt ging es gegen den ASV-Neuzugang Tobias Rasmussen, der im ersten Saisonspiel den frisch gebackenen Vizeweltmeister Mattias Falck geschlagen hatte. Die Befürchtungen schienen einzutreffen, dass es ein langer Sonntagnachmittag in der Halle werden würde. 1:5 im ersten Satz. An dessen Ende aber 11:9. Den zweiten gab er mit 8:11 ab.

Ende des scheinbar schon verlorenen dritten Durchgangs begann der sympathische Japaner, den Dänen zu entzaubern und das Publikum zu verzaubern. 0:5 lag er zurück, 1:7 und 6:10. Dann kämpfte, rannte und hüpfte sich der TT-Floh irgendwie den Jetlag aus den Klamotten, lieferte sich mit dem dänischen Linkshänder einen Wahnsinns-Ballwechsel nach dem anderen, wehrte sechs Satzbälle ab und sicherte sich seinen ersten zum 14:12. Im vierten Durchgang die Frage, würde die Müdigkeit zurückschlagen oder würde Mizuki zuschlagen? Erhöhte Gefahr, als Rasmussen von 8:4 auf 9:8 heran kam. Doch ein kluges Timeout durch Coach Koji Itagaki, 10:8 und 11:8, und der dritte Sieg im dritten Spiel war in trockenen Tüchern.

Ergebnisse:
Bastian Steger – Dang Qiu  3:1    (11:5/4:11/11:9/11:4)
Kilian Ort – Wang Xi  3:2    (7:11/11:6/8:11/11:8/14:12)
Mizuki Oikawa – Tobias Rasmussen  3:1   (11:9/8:11/14:12/11:8)
Sätze: 9:4
Oberschiedsrichter: Matthias Wilhelm
Zuschauer: 438

 

Kilian Ort: „Letztes Jahr habe ich gegen Wang Xi 8:4 im fünften Satz geführt. Dann lief es genau anders rum, er gewann 11:9. Das hat man natürlich ein bisschen im Hinterkopf. Am Anfang sah das aus, als würde ich zum ersten Mal einen Schläger in der Hand haben. Ich habe natürlich mein Spiel vom letzten Jahr analysiert und mir eine Taktik zurecht gelegt. Sie hat halt erst nicht funktioniert. Er hat andere Noppen als der Ruwen Filus, mit dem ich das eine oder andere Mal in Düsseldorf trainiere. Mit Xi habe ich noch nie trainiert. Wann ich gedacht habe, dass ich ihn packe? Bei 10:8 im fünften Satz. Er ist natürlich immer noch ein super Spieler. So viel Abwehr spielt er ja gar nicht. Zwischendurch kam immer öfter der Angriff. Der Schlüssel zum Sieg war, dass ich seinen gefährlichen Aufschlag zunehmend entschärfen konnte. Hinten raus habe ich mit meinem Rückhandaufschlag eine gute Lösung gefunden, obwohl den der eine oder andere immer kritisiert. Er war aber mitentscheidend für den Sieg. Jetzt nach diesen fünf Sätzen habe ich unglaubliche Kopfschmerzen, wirklich.“