Der TSV auf Wolke 7

TTBL

Ort & Co gewinnen auch ihr zweites Auswärtsspiel in Grenzau

Bad Königshofen (rd) Was ist denn da los in der Tischtennis-Bundesliga? Zweiter Spieltag, zweites Auswärtsspiel für den Vorjahres-Aufsteiger TSV Bad Königshofen und zweiter Sieg mit 3:2 beim mehrfachen Deutschen Meister und ehemaligen Champions-League-Sieger TTC Zugbrücke Grenzau. Und bis zum Sonntagmittag erst mal die Tabellenspitze vor Borussia Düsseldorf und TTC Liebherr Ochsenhausen verteidigt. Ein Sieg, der bis zur Pause greifbar nahe und dann doch den Bach runter zu gehen schien, am seidenen Faden hing und den nach einem knapp dreieinhalb-stündigen Riesen-Fight die Mannschaft um Kilian Ort doch noch zu sich rüber zog.

Wie schon in Bremen eröffnete Kilian Ort an Position 2 gegen den Grenzauer Einser Kirill Gerassimenko, mehr als 200 Weltranglistenplätze vor ihm geführt, dem er noch vor einem Jahr mit 0:3 unterlegen war. Diesmal machte er es in den ersten beiden Sätzen spannend, lag jeweils 1:5 hinten, ging kurz vor Satzende erstmals in Führung und gewann sie ebenso wie den dritten. Hier löste er sich ab 6:5 und verwandelte den dritten von fünf Matchbällen zum 1:0 für seine Mannschaft. Jetzt durfte der wegen seiner aktuellen Topform potenzielle Gewinner von zwei Punkten Mizuki Oikawa an die Platte. Er machte es bis in den fünften Satz hinein zwar spannend, hatte den Grenzauer Neuzugang aus Dänemark Anders Lind aber im Griff. Vielleicht schien es auch nur so. Erster Satz nur über seine Routine 12:10. Zweiter Satz von der Rolle, nichts Dramatisches, 5:11. Dritter Satz wieder klar, 11:6. Vierter Satz Besorgnis-erregend, 3:11. Fünfter Satz wieder alles unter Kontrolle, 11:4, und der TSV ging mit einem komfortablen 2:0 in die Pause.

Manager Andy Albert postete von seiner hauptberuflichen Verpflichtung auf der IFA in Berlin: „Ham´ mer noch net gewonnen.“ Aber Mizuki würde es schon richten in seinem zweiten Einzel. Zuerst musste aber der Neu-TSV´ler Bence Majoros ran gegen den Neu-Grenzauer Bobocica, ein routiniertes Energiebündel mit hochgradiger Eigenmotivation. Gegen den sich der sachliche, junge Ungar fünf Sätze lang abkämpfte, verkrampfte (3:11 erster Satz), wackelte (9:11 dritter Satz), zurück kam (11:7 und 11:3, zweiter, vierter Satz) und verzweifelte (5:11 fünfter Satz).

Nun also der kleine Japaner gegen Gerassimenko, der aber immer noch weit vor ihm liegt in der Weltrangliste. In diesem Spiel verzockte sich vielleicht der TTC-Trainer Dirk Wagner, der auffallend frühzeitig jeweils „Time out“ nahm, diesmal im ersten Satz bei eigener 8:7-Führung. Der TSV-Coach Itagaki setzte diese Karte später und erfolgreicher ein. Dennoch lag Oikawa 0:2 hinten und zog im dritten Satz bei 8:10 und zwei Matchbällen den Kopf doch noch aus der Schlinge, 12:10. Im vierten wie entfesselt spielend, brach er im fünften, am Ende eines Riesen-Fights, doch noch ein, 7:11. Seit etlichen Matches wieder mal ein Spiel gegen einen Europäer verloren.

Jetzt kam es also doch noch zu diesem einst von den Königshöfern so geliebten Doppel, von dem Kilian Ort auf einmal nichts mehr wissen wollte. „Als ich mein Einzel gewonnen hatte, habe ich alles auf Mizuki gesetzt und wollte da eigentlich schon irgendwo auf der A3 oder der A66 sein. Zudem haben Bence und ich ja noch nie zusammen gespielt. Nachts um zehn ein Doppel, das habe ich zuletzt vor sieben oder acht Jahren in der Landesliga Nord-West gespielt, mit 13 oder 14 etwa.“ Egal wie, auch ihre Gegner Lind/Bobocica spielten zum ersten Mal zusammen, bildeten aber die fürs Doppel ideale Rechts-Links-Händer-Kombination im Gegensatz zu Ort/Majoros. Doch die Beiden schnupperten sich mit Bedacht rein und einer Portion Glück durch den ersten Satz, gewöhnten sich aneinander, rauften sich zusammen, lasen den Gegner und machten eigene Abstimmungsprobleme stimmig.

Sie klauten sich diesen Satz noch nach 7:10 mit 12:10. „Ich bin einfach stolz auf die Jungs“, meldete sich Andy Albert wieder mal aus Berlin. Durfte er auch sein. Kilian Ort schlüpfte sichtlich in die Rolle des Führungsspielers, machte kaum Fehler und kopierte die emotionale Hochladung ihrer Gegenüber so lange, bis auch Bence Majoros seinen Gefühlen freien Lauf ließ. Im Doppel geht das eh besser. Den nächsten Satz holten sie sich mit 11:4, wobei Wagner diesmal die Auszeit wieder frühzeitig in diesem zweiten Satz bei 0:3 genommen hatte. Itagaki zog diesen Joker Mitte des vierten, den sein Duo mutig, aggressiv und mit dosiertem Risiko zum 11:8 durchzog – und auf Wolke 7 schwebte. „Das ist ja unglaublich, mein Herz, mein Kreislauf“, meldete sich Albert noch einmal. „Super, dass alle Drei gepunktet haben.“ Nachts um drei war dann die Reise nach Grenzau beendet.

Ergebnisse:
Gerassimenko – Ort         (6:11/9:11/7:11) 0:3
Lind – Oikawa                   (10:12/11:5/6:11/11:3/5:11) 2:3
Bobocica – Majoros          (11:3/7:11/11:9/3:11/11:5) 3:2
Gerassimenko – Oikawa   (11:9/11:8/10:12/3:11/11:7) 3:2
Bobocica/Lind – Ort/Majoros (10:12/4:11/11:6/8:11) 1:3
Oberschiedsrichter: Menzenbach
Zuschauer: 230